Das Neuroblastom ist die zweithäufigste bösartige Krebserkrankung im Kindesalter. Jährlich erkranken bundesweit 120-150 Kinder an diesem Tumor. Ein Forscherteam um Professor Frank Berthold, Kinderonkologe an der Uniklinik Köln, hat jetzt herausgefunden, dass es bei einem Teil der im frühen Lebensalter erkrankten Kinder zur spontanen Rückbildung des Krebses kommen kann. Dadurch kann diesen Kindern die belastende Chemotherapie erspart bleiben.
Fast 10 Jahre lang haben die Wissenschaftler der Kölner Uniklinik in kooperativer Zusammenarbeit mit allen kinderonkologischen Zentren Deutschlands und der deutschsprachigen Schweiz insgesamt 340 Säuglinge mit einem lokalisierten Neuroblastom beobachtet. Die jungen Patienten hatten hierbei ein Alter von einigen Tagen bis zu einem Jahr. 57 von ihnen wurden nach der Diagnose konventionell mit Chemotherapie behandelt, bei 190 Patienten wurde das Neuroblastom operativ entfernt. Bei 93 Säuglingen konnten die Mediziner die Eltern überzeugen, vorerst nicht einzugreifen. Bei 44 Säuglingen, also bei fast der Hälfte, ging der Tumor spontan zurück. Für Professor Frank Berthold ein Zeichen, dass es manchmal sinnvoll ist, zu warten.
„Warten ist manchmal besser als Handeln“, so der Forscher. „Für einen noch sehr jungen Organismus ist eine Chemotherapie, eine Bestrahlung oder auch ein operativer Eingriff belastend und nicht ungefährlich. Jede Therapieform hat erhebliche Nebenwirkungen, die den Organismus schädigen können. Das heißt, wenn wir auf Chemotherapie verzichten können, tun wir das natürlich.“
Allerdings gibt es auch keinen eindeutigen Indikator für den Rückgang eines Neuroblastoms. Prof Berthold:
„Im mikroskopischen Bild kann man sich spontan zurückbildende von hochaggressiven Tumoren nicht unterscheiden. Auch molekulargenetisch ist die Differenzierung noch unvollkommen. Das, was wir für die Behandlung des Neuroblastoms anstreben, ist also so etwas wie eine Wait-and-See-Strategie.“
Dr. Barbara Hero, Studienkoordinatorin im Team um Professor Frank Berthold, betont, dass durch die Strategie des Wartens und Beobachtens für die Therapie keine Zeit verloren geht. „Es kann durchaus vorkommen, dass der Tumor sich nicht spontan zurückbildet, sondern in dem Moment, in dem wir ihn beobachten, nur ruht und später wieder in eine Wachstumsphase übergeht. Aber das heißt noch nicht, dass sich dadurch die Gefahr erhöht, dass der Tumor nach dem Beobachten in eine ungünstigere Wachstumsphase übergeht, nicht geheilt werden kann und die Krankheit dadurch schwerer zu heilen wäre. Das konnten wir auch in der Studie zeigen. Wir können später immer noch mit der Chemotherapie beginnen oder auch den Tumor operativ entfernen. Das heißt: wir verlieren durch das Abwarten keine Zeit und auch keine Heilungsmöglichkeiten.“
In den Fällen, in denen das Neuroblastom wesentliche Funktionen des Körpers stört, zum Beispiel, weil durch seine Größe im Bauchraum die Nierenfunktion beeinträchtigt wird, raten die Mediziner nach wie vor zur Chemotherapie. Ist dies allerdings nicht der Fall, könnte sich durch die Erkenntnisse der Deutschen Neuroblastom-Studiengruppe die „Wait-and-See“-Strategie auch international durchsetzen. „Unser Ziel ist es vor allem, die belastenden Chemotherapien bei Säuglingen immer mehr vermeiden zu können,“ so Professor Frank Berthold.
Hintergrund Neuroblastom.
Das Neuroblastom ist ein Tumor der aus entarteten, embryonalen Zellen entsteht. Das erklärt auch sein rasches Wachstum. Neuroblastome können überall dort auftreten, wo sich so genanntes „sympathisches Nervengewebe“ befindet. Zirka die Hälfte der Fälle treten in den Nebennieren auf, die andere Hälfte links und rechts der Wirbelsäule. Meistens befinden sich die Tumore im Bauchraum, sie können aber auf jeder Höhe entlang der Wirbelsäule entstehen auch im Becken-, Brust- oder Halsbereich. Diese Krebsart kann weiter wachsen (Progression), in anderen Fällen Tochtergeschwüre bilden (Metastasierung) oder sich eben spontan ohne Therapie zurückbilden (spontane Regression).
Sina Vogt
Leiterin Stabsstelle Kommunikation Uniklinik Köln
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25.06.2008
„Warten ist manchmal besser als Handeln“
Forscher der Uniklinik finden neue Strategie bei Krebs im Kindesalter